Lichtkegel Es werde Licht

Zum Nachdenken

 


Selbsterkenntnis + VisionOrientierung + MethodeErfolg!


Die Erfolgsformel

Was ist Erfolg? Für manche Menschen das, was sie auf ihrem Kontoauszug sehen – sofern es schwarze Zahlen sind mit ein paar Nullen dahinter. Freilich ist das nicht alles – oder alles ist nichts ohne das Lebensgefühl, sich in seiner Welt und seinen Beziehungen gut zu befinden: Eine Gemeinschaft zu haben, die trägt und auf die man sich verlassen kann, seine Arbeit gut zu machen, das Bewusstsein, etwas Sinnvolles zu tun, seine Begabungen einzusetzen, seine Ziele zu verwirklichen – und bei alldem eine Balance im Leben zu haben.

Wir können auch sagen: Erfolg ist das Gelingen des Lebens, oder das Glück – wie der Kernbegriff der antiken Ethik eudaimonia meist übersetzt wird. Nur schwingt dabei mit, dass ich Glück haben muss, dass mir Dinge oder das Glücken einfach zufallen. Und darauf habe ich doch keinen Einfluss …

Aristoteles sagt: Dieses Gelingen, das Lebensfreude macht, besteht in Aktivität, in gutem Handeln. Das Empfangen ist dabei nicht ausgeschlossen, aber wir sollen unsere Kraft darauf richten, was wir selbst tun können. In diesem Sinn lautet die gängige Definition von Erfolg: seine Ziele erreichen. Auch unter Umständen, die manchmal nicht ideal sind. Das Beste daraus zu machen, ist Kunst – Lebenskunst!

Und wer sich selbst entwickelt und verwirklicht, so dass er als Mensch gut ist, wird mit Leichtigkeit auch Gutes tun. Modern ausgedrückt: Kunst kommt von Können, also Kompetenzen. Fachliche Kompetenzen stehen dabei oft an erster Stelle, aber immer mehr wird anerkannt, wie wichtig kommunikative, soziale und Selbst-Kompetenzen sind. Hierbei geht es um wert-volle Gewohnheiten oder Haltungen, eingeübte Neigungen zum richtigen Reden und Handeln.

So kommt der gegenwärtige Trainingstrend auf die alte philosophische Weisheit zurück, auf das Ideal des Menschen, der vieles kann, weil er an sich selbst arbeitet, und nicht nur etwas bearbeitet.

Wie gelangen wir zu so einer Selbstentwicklung und gesunden Selbstverwirklichung?

Die Erfolgsformel von zeigt auf, dass drei Schritte dazu führen:

Das erste, was nötig ist, ist mich selbst zu erkennen: Kompetenzen und Charakter, meine Schwächen und Gefahren, aber mehr noch die Stärken und Werte. Das altgriechische Motto von Delphi Erkenne dich selbst! verwirklichen wir mit modernen Instrumenten, die den Ist-Zustand aufzeigen.

Doch dazu muss eine Vision kommen: eine Sicht auf das, wohin ich in meinem Leben gelangen will. Sobald ich weiß, wo ich stehe und wohin ich möchte, habe ich eine Richtung: Orientierung. Der Visionszeitraum umfasst mindestens fünf Jahre, wo schon einiges davon abhängt, dass ich auch Glück habe. Dass sich Chancen eröffnen, dass mich andere Menschen fördern usw. Aber wenn ich die Richtung weiß, werde ich sich eröffnende Möglichkeiten auch wahr-nehmen.

Drittens muss ich Methoden beherrschen, die mich Schritt für Schritt in die gewünschte Richtung bringen. Also systematisch planen und konsequent umsetzen.


Die Erfolgsformel als Analyseinstrument zeigt, bei welchem der drei Schritte zum Erfolg anzusetzen ist, um die größte Wirkung zu erzielen. Damit das Leben gelingt!


© Markus Riedenauer

 


Lebensbalance

Kennen Sie das? Ihre Arbeit ist Ihnen wichtig, Sie planen Ihre beruflichen Aktivitäten und leisten viel. Zugleich wissen Sie, dass Ihr Leben nicht nur in der Arbeit Erfüllung findet, dass Sie noch andere Interessen, Potenziale und Verpflichtungen haben, etwa in der Familie. Sie haben schon einiges über "work-life-balance" gehört - aber in der täglichen und wöchentlichen Praxis passiert es immer wieder, dass der private Bereich zu kurz kommt. Auf die Dauer nagt das an Ihrer Zufriedenheit und Motivation.
Woran liegt das und was hilft zu besserer Lebensbalance?

Nun liegt eine Ursache des Problems vielleicht darin, dass Sie zu wenig differenzierte Begriffe verwenden, wenn Sie über Ihr Leben nachdenken und Ihre Zukunft planen. Wir sind ja alle daran gewöhnt, zwischen „Arbeit“ und „Freizeit“, „Beruf“ und „Privatem“ zu unterscheiden. Das ist als Erbe der Industrialisierung ein typisch "westliches" Denken. Doch es hat zur Folge, dass ganz verschiedene Dinge im sogenannten Privatbereich vermischt werden, etwa Haushalt und Körperpflege, Erholung und Sport, Lesen und Musik, Partnerschaft und Familie, ehrenamtliches Engagement z.B. in einem Verein, Information und Weiterbildung, Spiritualität, Pflege von Freundschaften und vieles mehr. Manches davon ist auch eine Arbeit(wenngleich unbezahlt). Wenn all das unter die Freizeitaktivitäten gerechnet wird, kommen die wirklich privaten Anliegen, die Muße, das Nachdenken und die Rekreation immer wieder zu kurz. Besonders Mütter, die meistens auch die Hauptlast des Haushaltsmanagements und der Kindererziehung tragen, haben dann oft für sich selbst keine Zeit mehr.
Um aus dieser Falle heraus zu kommen, empfiehlt Ihnen , die Freizeit oder das Private in drei Lebensbereiche zu gliedern: Aktivitäten für Familie oder die tragenden Beziehungen, für die Erfüllung des Lebenssinns und die Gemeinschaft, sowie für die Selbstsorge - die Freizeit im engeren und eigentlichen Sinn. Zusammen mit dem Beruf oder der Erwerbsarbeit haben Sie dann vier Lebensbereiche, die Sie separat reflektieren und planen. Dann kommen Sie selbst mit Ihrem leiblichen, seelischen und geistigen Wohlbefinden besser auf Ihre Rechnung!
Überlegen Sie einmal, welche Ziele, Interessen und Aktivitäten außerhalb des Berufs in welche der drei neuen Kategorien passen und schreiben Sie das auf. Hier finden Sie ein paar Beispiele:
Zu „Familie und tragende Beziehungen“ könnte gehören, dass Sie eine neue Küche kaufen und einrichten, mit Ihrer Tochter zusammen Schlittschuhlaufen oder jeden Sonntag ein ausführliches und gutes Paargespräch mit Ihrem Lebenspartner bzw. Ihrer Partnerin führen.
Bei „Pflege von Sinn und Gemeinschaft“ könnte die Übernahme einer Verantwortung in einem Verein stehen, der sich z.B. für Menschenrechte oder Naturschutz einsetzt. Eine spirituelle Praxis zu lernen und regelmäßig auszuüben, wäre wichtig, um mit Ihrem Lebenssinn und der höchsten Kraftquelle in lebendigem Kontakt zu bleiben.
Unter „Selbstsorge oder Freizeit“ würden Sie aufschreiben, was Ihnen selbst gut tut, seelisch und körperlich: kulturelle Aktivitäten wie Musik machen oder genießen, eine neue Sprache erlernen oder wöchentlich schwimmen gehen.


In diesen Bereichen verwirklichen Sie auch Ihre Werte. Und damit das genügend Zeit und Spielraum erhält, sollten Sie entsprechende Ziele und Aktivitäten einplanen - am besten in Ihrer Jahres- und Monatsplanung. Das mit den beruflichen Aufgaben abzustimmen, ist die hohe Kunst der Lebensbalance, ist Lebenskunst!


© Markus Riedenauer

 


„Raus aus dem Hamsterrad”? – Heilsame Routine

Ihr Leben ist so richtig in Schwung gekommen - damals, als Sie die tolle Stelle bekamen, oder als Ihr zweites Kind geboren wurde, oder als Sie Ihre eigene Firma auf Touren brachten oder...
Inzwischen empfinden Sie das nicht mehr als nur positiv. Sie fühlen sich wie in einem Hamsterrad, Sie rennen und rennen und fürchten, ohne das ständige Ankurbeln, Antreten würde der Schwung zum Stillstand kommen. Das können Sie ja auch nicht wollen, sonst werden Sie von Konkurrenten überholt, und überhaupt ist Bewegung doch etwas Gutes - wo ist die richtige Mitte? Wie findet man die Balance?

Es soll sich etwas bewegen, aber das Hamsterrad ist ein Bild für eine hektische Aktivität, mit der man nicht von der Stelle kommt. Auf der Ebene der Metaphern könnten wir einfach eine lineare Bewegung fordern, um vorwärts zu kommen. Jedoch enthält das Bild einer Kreisbewegung eine wichtige menschliche Erfahrung. Nicht umsonst haben Denker seit der Antike diese als die vollkommene Bewegung betrachtet. Und wenn wir rasch weiterkommen wollen, benutzen wir auch die Kreisbewegung der Räder, mit oder ohne Motor. Wäre das Fahrradfahren die beste Metapher für ein Treten im Kreis, das doch in Fortbewegung übersetzt wird?

Eine erste Folgerung betrifft die Zielorientierung: Wenn Sie beim Radfahren auf Ihre Füße, auf die Pedale schauen, riskieren Sie bald einen Sturz oder eine Kollision. Sie müssen nach vorne blicken, auf Ihr Ziel, damit es Ihre Anstrengung motiviert, und damit Sie auch erleben, wie Sie weiter kommen. Realistische und zugleich herausfordernde Ziele zu haben, sie gut zu formulieren und die Fortschritte daraufhin regelmäßig zu evaluieren, ist eine Kernkompetenz im Zeitmanagement. Das kann man üben, auch in einem entsprechenden Seminar.

Der zweite Punkt ist die unterschiedliche Qualität einer Kreisbewegung: Sie kann als ermüdende Monotonie empfunden werden - oder als etwas Beständiges und Verlässliches.
Vergleichen wir das Hamsterrad mit einem Schwungrad: Dieses hat eine ausreichende Masse, um sich auch dann weiterzudrehen, wenn einmal weniger angekurbelt wird. Dieses Trägheitsmoment ist wichtig. Für die Organisation (des eigenen Alltags ebenso wie eines Teams und einer Firma) bedeutet das, Routineabläufe einzuführen, die in gewohnter Weise mit wenig Energieaufwand erledigt werden. Auch im trägen Zustand nach dem Aufstehen müssen Sie sich normalerweise nicht extra motivieren, um sich anzukleiden - Sie tun es quasi automatisch. Ebenso entlastet es den Arbeitsalltag, wenn Sie zu bestimmten Zeiten ähnliche Aufgaben erledigen. Vor allem die lästigen Kleinigkeiten, die oft unterbrechen, sollte man zusammenfassen und täglich oder wöchentlich zur selben Zeit erledigen. Das Zauberwort heißt Rhythmus. Beispielsweise Telefonanrufe von 11-12 Uhr tätigen und Emails nach dem Mittagessen beantworten, Team-Besprechungen immer auf denselben Vormittag legen, eine stille Stunde ohne Störungen durchsetzen...

Eine dritte wesentliche Erkenntnis betrifft die Wartung des Schwungrads oder, wenn Sie wollen, das Überholen des Fahrrads: Es kann nötig sein, einmal aus der Bewegung ganz auszusteigen, vom Gefährt abzusteigen, etwas zu reparieren und die Zielrichtung zu überprüfen. Das wäre der Sinn der Aufforderung „Raus aus dem Hamsterrad”! Weil die Erfahrung zeigt, dass sich die Räder im Kopf noch lange weiterdrehen - und auch diese Bewegung muss bisweilen angehalten werden, um sich einer gründlicheren Wartung widmen zu können. Für eine solche Aus-Zeit geht einer auf ein Manager-Retreat im Kloster, eine selbständig Tätige pilgert sechs Wochen lang nach Santiago, ein Banker macht eine Weltreise mit seiner Frau...
Das sind freilich große Unterbrechungen und seltene - was wären dann die kleinen Wartungen des Alltags, so wie die Radfahrer regelmäßig Reifen aufpumpen oder Ketten schmieren? Was trägt den Rhythmus im Arbeitsalltag? Etwa alle 90 Minuten eine kurze Pause zu machen, fördert die Leistung unserer Gehirne. Eine Einstimmung in den Tag - religiöse Menschen tun das betend -, zu Mittag eine echte Pause und am Abend eine Rückschau und Evaluation. Und ganz wichtig, darum in ganz verschiedenen Kulturen institutionalisiert, ist ein freier Tag jede Woche. Wer den Sonntag hält, wird sich viel weniger im Hamsterrad fühlen, weil er sich wöchentlich der Erholung und der Überholung seines Lebens widmet, anstatt sich mit dem Versuch, die Zeit oder andere Menschen zu überholen, abzustrampeln. Solcherlei Zeitgestaltung verwirklicht zugleich den ersten Punkt, insofern die Ziele klarer werden und die Fortschritte daraufhin, aber auch den zweiten Punkt: Es ergibt sich ein Rhythmus und eine Routine, die als heilsam erfahren werden.


© Markus Riedenauer

 


Sinnlichkeit statt Cybersex

Große Augen im Kerzenschein, die Erdbeere zwischen den geöffneten, roten Lippen, seine Hand auf ihrem Knie rutscht langsam nach oben, welche Unterwäsche ist am besten zum Ausziehen geeignet? Verstehen Sie das unter "Sinnlichkeit"? Was sonst? Philosophen wie z.B. Slavoj Žižek stellen fest, dass in unserer Lebenswelt heute authentische Erfahrungen fehlen. Das ist letztlich gefährlich, weil wir Menschen von Natur sinnliche Wesen sind. Das natürliche Bedürfnis nach unmittelbarer Erfahrung der Wirklichkeit nennt Alain Badiou "passion du réel". Ein Defizit an Sinnlichkeit kann zu radikalem Verhalten verführen, ja zu absichtlichem Zufügen von Schmerzen oder zu Todessehnsucht. Richtig: Heute gibt es eine Verführung durch zu wenig Sinnlichkeit, nicht nur durch zu viel Sinnlichkeit (wie frühere stoische und christliche Ethiker meinten)!

Freilich meint Sinnlichkeit viel mehr als Erotik. Diese Verengung ist ja schon ein Symptom des Verschwindens von sinnlichen Erfahrungen. Wer denkt bei diesem Wort z.B. an das Zwitschern der Vögel am Morgen, an die plötzliche Abkühlung beim Springen in einen See oder den Duft eines Apfels? Vergessen Sie die Assoziation von Apfel mit Erbschuld und mit Sex, die ohnehin nicht biblisch ist - nehmen Sie sich lieber selbst an, als sinnliches Naturwesen, das in der Welt ist, weil und insoweit es spürt, riecht, schmeckt, hört und sieht.

Das Visuelle ist außerdem überdominant in unserer Kultur und hat andere sinnliche Wahrnehmungen verdrängt. Wir sind Fern-Seher geworden. Cybersex ist bislang der Gipfel dieser Fehlentwicklung. Beim Sehen, früher auch "Fernsinn" genannt, ist der Mensch am wenigsten bei sich selbst. Beim Spüren hingegen oder Schmecken können wir gar nicht von uns selbst absehen, können nicht flüchten in vorgestellte oder virtuelle Situationen.

Vielleicht ist eines Tages auch der Sehsinn selbst technisch ersetzbar. Statt auf einen Bildschirm vor uns zu starren, können wir dann virtuelle Erlebnisse direkt ins Gehirn einspeisen. Und mit entsprechenden Geschmacksprogrammen würde es dann ja gar nicht stören, auf Essen zu verzichten und intravenös mit einer Nährlösung versorgt zu werden. Genügt nicht die direkte Stimulation der beim Essen und Schmecken beteiligten Gehirnteile? Wenn wir auf Knopfdruck den Eindruck haben können, ein herrliches Wunschmenü zu genießen, gerne auch bei virtuellem Kerzenschein, bei einem virtuellen Flirt... Menschen, die das nicht aushalten oder es sich nicht leisten können, könnten dann lebensgefährlichen Extremsport betreiben, andere foltern oder blutige Revolten machen - um nur irgendetwas Reales zu spüren. Auch Empathiefähigkeit hängt mit dem Fühlen zusammen. Wie soll ich mich in einen anderen Menschen ein-fühlen, wenn ich mich selbst nicht fühle? Wie soll ich die leibliche Integrität einer anderen Person achten, wenn ich meine eigene Leiblichkeit missachte?

Wenn Sie nicht in einer solchen Welt leben wollen, machen Sie Platz in Ihrem Alltag für die einfachen sinnlichen Wahrnehmungen! Essen Sie ohne Fernsehen, gehen Sie in die Natur ohne Smartphone, schauen Sie Ihren Patienten an statt den Monitor mit seinen Daten, verzichten Sie auf den Flachbildschirm in Ihrem Friseursalon, halten Sie eine Wartezeit am Bahnhof oder einen stillen Abend daheim aus, ohne in Ablenkung zu flüchten, seien Sie in achtsamer Weise da, wo Sie leiblich eben sind... Dann brauchen Sie nicht eines Tages als burn-out-Kandidat in ein teures Hotel zu gehen, dessen "USP" darin besteht, keinen Handyempfang und kein W-LAN zu haben.

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, warum wir dasselbe Wort "Sinn" für unsere leiblichen Wahrnehmungsfähigkeiten verwenden und für geistige Bedeutungen? Es hat Sinn, die menschliche Sinnlichkeit zu kultivieren.


© Markus Riedenauer


In Bestform: Tugenden als erfolgskritische Metakompetenzen

Der Chef kommt am Morgen ins Sekretariat, blickt finster drein, aber niemanden wirklich an und wirft seinen Mantel über einen Stuhl. "Guten Morgen, wie geht's?" "Das sehen Sie doch! Meine Tochter musste ins Spital, heute ist ein schwarzer Tag!" Ein menschlicher Chef, sein Verhalten ist nachvollziehbar. Gut gemacht hat er diesen Auftritt nicht, sollte er ein Kommunikationstraining absolvieren? Oder ein Seminar, um mehr über Mitarbeitermotivation zu lernen? Vielleicht… Aber im Grunde geht es um eine Haltung.

"Techniken" der Kommunikation, Verständnis psychologischer Zusammenhänge, Verbesserungen auf den Ebenen des Verhaltens und der Kognition brauchen eine Basis, sie müssen in einer stabilen Einstellung wurzeln. Aus der Wurzel einer inneren Haltung bekommt das Verhalten seine Überzeugungskraft, andernfalls wird es intuitiv als angelernt, aufgesetzt, künstlich, taktisch oder gar manipulativ wahrgenommen. Und das wirkt nicht. Das erste Prinzip der Transformationalen Führung (nach Bass/Avolio) hingegen lautet: Menschen vertrauen der Führungskraft als Vorbild.

Haltungen gibt es positive und negative; die klassische Ethik nennt sie Tugenden und Laster. Diese Worte klingen altmodisch, Medien verwenden sie oft in verzerrter Weise: "tugendhaft" wird mit prüde und gehemmt assoziiert, während "Laster" im Gegenteil als etwas Positives erscheint, damit wird schonmal Werbung für Schokolade oder Schuhe gemacht. Diese Begriffe sind aber das erste große Thema der philosophischen Ethik, noch vor Pflichten, Normen und Werten: Tugend ist die gebräuchlichste Übersetzung des griechischen Wortes "arete", das heißt die Bestform, in der etwas oder jemand seine Aufgabe optimal erfüllen kann. Die lateinische Übersetzung "virtus" meint eine Tendenz zum guten, starken Handeln, wie es von einem Mann mit Verantwortung erwartet wird. (Ja, im Lateinischen kommt es von "vir", Mann.) Man kann "virtus" auch mit Kompetenz übersetzen - selbstverständlich für Frauen genauso. Ein Laster ist eine schlechte Verfassung mit der Neigung zu unangemessenem, extremem, unvernünftigem Handeln.

Die Psychologie spricht von Verhaltensdispositionen; sie sind mit der Persönlichkeit verbunden, aber mit Übung veränderbar durch Verbesserung von Gewohnheiten (Habitualisierung). Lernen am Vorbild ist dafür wichtig, Haltungen wirken ansteckend. So entsteht ein Ethos, individuell und in Gruppen, in einem Team oder einer Abteilung. Diese gute Kultur der moralischen Einstellung schwingt im griechischen "Ethos" mit, ursprünglich die natürliche Umgebung oder Lebensweise. Gewohnte Verhaltensdispositionen werden dem Menschen zu einer zweiten Natur, zu einer inneren Form. Und tugendhaft ist ein Mensch in Bestform. Das Ethos gab auch der Ethik der Namen: Aristoteles begründete die Ethik als wissenschaftliche Reflexion des Ethos.

Das jeweils richtige Handeln ist das vernunftgemäße, aber wir haben Emotionen, die uns bewegen. Wenn sie stark sind, wird es schwer, vernünftig und sachgerecht zu entscheiden, zum Beispiel in einem Zustand vom Zorn, Gier, Neid, Angst - aber auch bei überschwänglicher Freude oder Übermut. Die Tugend ist die Haltung der rechten Mitte zwischen einem Zuviel und einem Zuwenig. Zum Beispiel ist die Stärke (lateinisch "fortitudo", Tapferkeit, Mut) zwischen Feigheit und übermäßiger Kühnheit oder zwischen entscheidungshemmender Übervorsicht und zu hoher Risikobereitschaft. Diese Haltung ermöglicht, auch bei Widerständen auf Kurs zu bleiben und ambitionierte Ziele umzusetzen. Die Haltung des Maßes (lateinisch "temperantia", Besonnenheit) liegt zwischen Über- und Unterempfindlichkeit in Bezug auf Lust und Schmerz. Solche Selbstkontrolle oder Disziplin hilft, von eigenen Empfindungen und Gefühlen nicht vom Erfolgskurs abgelenkt zu werden, sondern sie zu integrieren.

Diese beiden Grundhaltungen wurden in der Philosophie zusammen mit Gerechtigkeit und Klugheit die wichtigsten Metakompetenzen ("Kardinaltugenden") genannt. Alexander Havard (Virtuous Leadership) behandelt sie zusammen mit Großmut und Demut als die Hauptfaktoren für vorbildliche Führung. Genau dann, wenn es schwer wird, helfen Standardrezepte und angelernte Verhaltensweisen nicht weit, sondern es braucht eine Einstellung, die sich zwischen den Extremen hält, um die jeweils beste Entscheidung treffen zu können: frei und ganzheitlich, auf der Grundlage von Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung, um der Situation, den beteiligten Menschen und dem Handelnden selbst gerecht zu werden. Diese Haltungen sind Metakompetenzen, weil sie in ganz verschiedenen Situationen ihre vorbildliche Wirkung entfalten. Aristoteles (Nikomachische Ethik) behandelt elf solche vorbildliche Haltungen in allen wichtigen Handlungsfeldern mit jeweils zwei "lasterhaften" Extremen. Erfahrungen aus Manager-Trainings zeigen, dass sie alle im Führungsalltag heute Anwendung finden und wichtig sind. Trainingsteilnehmer können die für sie wichtigsten Wachstumsbereiche identifizieren und ein persönliches Übungsprogramm erstellen. Die Ausbildung solcher Metakompetenzen ist Arbeit an sich selbst. Ist das nicht eigentlich die schönste Arbeit?


© Markus Riedenauer


Hinwegsehen können

Wer überleben will, muss genau hinsehen, muss sich vorsehen und muss zusehen, um nichts zu übersehen – denn sonst hat er das Nachsehen. In unserer Kultur hat das analytische, scharfe, präzise, manchmal strenge Hinsehen einen hohen Wert. Das Wegschauen hingegen ist tadelnswert, gilt rasch als unehrlich, feige oder psychologisch unreif. Wir assoziieren es mit dem Verdrängen, was bekanntlich ungesund ist und auf Dauer wenig nützt. Auch etwas zu übersehen ist etwas Schlechtes, wenngleich unbewusst. Das ist ein Fehler, der unter Umständen einfach gefährlich ist.
Also wieso sollten wir fähig sein, über etwas hinweg zu sehen?

Wir leben in einer visuellen Kultur; allerdings nicht in einer theoretischen Kultur im griechischen Sinn von theoria, insoweit damit das offene Schauen gemeint ist, das sich dem Sich-zeigenden aussetzt, es erscheinen und wirken lässt. Unsere visuelle Haltung neigt zum Objektivieren, Kontrollieren, ist manchmal sezierend und durchschauend. Praktisch ist die Gegenwartskultur massiv geprägt vom Fernsehen und dem weltweiten Netz, was alles dem Hinsehen dient.

Als Kontrast dazu möchte ich das Hinwegsehen loben, und zwar als Tugend des mitmenschlichen Umgangs. Thomas von Aquin behandelt Aspekte davon im Zusammenhang mit anderen aristotelischen Tugenden wie mäßigende Milde, Zahmheit und Großherzigkeit – doch hier nehmen wir einen einfachen und praktischen Zugang zu dieser übersehenen Tugend:

Wenn wir über etwas hinwegsehen, besteht dies sowohl aus einem Hin-sehen als auch einem Weg-sehen in einer eigenartigen Verbindung. Es beinhaltet eine bewusste Entscheidung, vom schon Erblickten (wieder) weg zu sehen. Wieso tun wir das? Nicht, weil es für uns unangenehm, peinlich oder verwerflich ist, das anzusehen, von dem wir wieder absehen (solches gibt es natürlich, heißt aber verdrängen). In Wahrheit sehen wir aus einem anderen Motiv über etwas hinweg, meistens und vor allem über einen Fehler eines Mitmenschen, z. B. eine Unhöflichkeit, oder über etwas, das nicht korrekt gemacht wurde. Die Motivation dahinter ist nicht Angst, sondern Großmut und die Fähigkeit, Prioritäten zu wahren: Ein kleiner Fehler wird nicht weiter beachtet um eines Ganzen willen, das wichtiger ist. Ein Gespräch über ein bedeutendes Thema etwa soll nicht dadurch unterbrochen werden, dass ich mich über den etwas forschen Ton meines Gegenübers errege, was ich in einer anderen Situation durchaus hätte korrigieren wollen. Oder die festliche Stimmung soll nicht dadurch gestört werden, dass einer gleich nachfragt, wer den Druckfehler auf den Einladungskarten zu verantworten habe. Es kann sich auch um etwas Vordringliches handeln, um dessentwillen man über einen kommunikativen Fehltritt hinwegsieht. Ein Notarzt an der Unfallstelle hat Dringenderes zu tun, als sich dagegen zu verwahren, dass ihn der Bauer duzt.

In solchen Situationen erscheint die Unfähigkeit eines Menschen, über etwas hinwegzusehen, als Kleinlichkeit, Rechthaberei, Beckmesserei oder Pedanterie. Es ist eine unangenehme und kommunikationsstörende Kritiksucht, die offenbar besonders in Mitteleuropa verbreitet ist. Die oben genannten Beispiele betreffen keine großen Fragen der Gerechtigkeit, an denen die hier gelobte Tugend durchaus ihre Grenze findet. Insbesondere wenn andere Personen unfair behandelt werden, ist darüber nicht hinwegzusehen. Das kann ich nur für mich selbst tun, und nur bei relativ unbedeutenden Kränkungen. Das Hinwegsehen wird leicht verwechselt mit der Feigheit. Schließlich gibt es Menschen, denen es an Durchsetzungsfähigkeit mangelt, die darum aus Schwäche über Dinge hinwegsehen, die angegriffen werden müßten. Doch wenn diese Kritik das Hinweg- und Nachsehen allgemein in Frage stellt, verwechselt sie einzelne Akte des Wegsehens mit der Tugend, das heißt der wichtigen Fähigkeit, aus Weitsicht und Großmut im richtigen Moment über etwas hinweg zu sehen: weil solch eine Person weiter blickt, über ein momentanes Hindernis hinweg auf etwas Größeres. Zu diesem höheren Gut gehört die Wahrung förderlicher Kommunikationsbedingungen. Nachsicht wird geübt, um nicht nachtragend zu sein. Ein weitblickender Mensch kann auch einmal etwas gut sein lassen, das nicht perfekt ist.

Zur Fähigkeit des Nachsehens gehört also die Tugend des Maßhaltens und der Selbstbeherrschung sowie eine praktische Urteilskraft in bezug auf die Verhältnismäßigkeit von Ereignissen und Handlungen. Dahinter steht die Fähigkeit, das Größere im Blick zu behalten und kleinere Ziele zu integrieren. Wer über etwas hinwegsieht, kann dafür Gründe angeben, die nachvollziehbar sind im Gegensatz zu nicht bewussten Motiven des Verdrängens. Er verhält sich vernünftig. Schließlich bleibt ihm immer die Möglichkeit, scharf hinzusehen auf das Vordergründige – vielleicht später. Er lässt sich nicht von störenden Details fesseln, verliert sich nicht im unmittelbar Andrängenden, sondern hält seinen Blick weit und offen. Das ist die existenzielle Voraussetzung dieser Tugend, von der wir ein wenig mehr brauchen könnten, um im Alltag gut miteinander zu leben und zu arbeiten.


© Markus Riedenauer